Home Office Blues and Vibes

 



Es ist 12:30 und mein letzter Call des morgens neigt sich dem Ende zu. Mein Magen knurrt und die Kaffeetasse ist auch schon wieder leer. Bei einem genaueren Blick an mir runter, stelle ich fest, dass ich immer noch die gleiche Jogginghose trage wie auch schon die letzten Tage und mein T-Shirt einen Fleck des letzten Nutella-Brotes ziert.

Ein ganz normaler Donnerstag also in Zeiten des Home Office. Ich erhebe mich von meinem Stuhl und brauche erstmal 2 Minuten bis meine eingeschlafenen Beine und Füße mich überhaupt tragen wollen. Der Wechsel zwischen dem Esszimmerstuhl und dem quietschgrünen Gymnastikball funktioniert auch eher mäßig. Den Sitzball habe ich mir von meiner Schwester geliehen, da mir auf unseren alten Esszimmerstühlen der Rücken schreiend signalisiert hat, er mache das nicht mehr länger mit und ich wäre keine 20 mehr (halte ich übrigens für ein Gerücht)!

Der Ball ist aber eher so semi toll. Man braucht erstmal fast 5 Minuten bis man die richtige Sitzposition gefunden hat. Bis man diese erreicht hat ist man entweder mehrmals fast hinten übergekippt oder hat mit dem Mund die Tischplatte geküsst. Außerdem irritiert es bei Videocalls manchmal den gegenüber, wenn man im gleichen monotonen Rhythmus auf und ab bounced und federt. Was ja in erster Linie nicht mein Problem ist, mich beruhigt das swingen eher.

Richtig unangenehm wird es jedoch bei wärmeren Temperaturen, wenn man elegant von dem Ball wieder runter will aber kurze Hosen trägt. Man klebt nämlich förmlich am Ball fest und das los lösen ist gar nicht so einfach und auch nicht schmerzlos. Es erinnert ein bisschen an Haarentfernung mit Heißwachs nur langsamer...........übrigens nur eines der wenigen Probleme, die mich aktuell begleiten.

Meine Durchblutung in den Beinen ist zurück, ich kann mich wieder bewegen. Mit einem erleichterten "plopp" ziehe ich mir erstmal meine Kopfhörer aus den Ohren. Meine Gehörgänge sind mittlerweile so immens geweitet es könnte dort bequem eine Boing 747 landen. Man hört auch gleich viel mehr und besser! Kopfhörer sind aber lebensnotwendig, da ich ja nun mal nicht allein in der Wohnung bin. Und da ich das Individuum mit befristetem Home Office bin (mittlerweile auch seit fast 1 1/2 Jahren aber hey.....) habe ich nicht das elegante und ruhige Bürozimmer zur Verfügung sondern sitze direkt neben Couch und Esstisch im Wohnzimmer. Äußerst praktisch, wenn man zwischen den Meetings ein Power Nap machen möchte.....oder auch mehrere. Man muss nur den Weg zurück zum Schreibtisch finden.......irgendwann.

Es wird Zeit für einen weiteren Kaffee und eventuell auch für die erste Mahlzeit des Tages. Denn auch, dass ist etwas was ich im Home Office erlebt habe, ich vergesse zu essen. Und irgendwann stelle ich fest, dass was da so komische Geräusche macht ist tatsächlich mein Bauch und der hat Hunger. Ich trete also meine Reise in die Küche an. Der einzige Ort übrigens wo ich tagsüber die minimale Chance habe meinen Freund zu treffen und ihm eventuell kurz ein oder zwei Worte zu entlocken. Die Kaffeemaschine bringt uns alle zusammen früher oder später. Auf dem Weg in die Küche komme ich an unserem großen Spiegel im Schlafzimmer vorbei und dort sehe ich zum ersten Mal an diesem Tag, was meine Gesprächspartner in den letzten Videocalls zu sehen bekommen haben. Kein Wunder, dass ich gefragt wurde ob ich schlecht geschlafen habe oder es mir nicht gut gehe. Meine Haare sehen aus, als hätte ein Vogel darin genistet und gewaschen werden müssten diese auch mal wieder. Die Phase des "entfetten" die irgendwann alle in dieser Pandemie wohl mal hatten ist eigentlich bei mir vorbei aber irgendwie schleicht es sich gerade wieder ein. Ich bin ziemlich blass, was eigentlich gar nicht zu mir und meiner immer leicht gebräunten Haut passt. Muss wohl daran liegen, dass wir wieder bis 0 Uhr Netflix geschaut haben und die Nacht recht kurz war. Immerhin habe ich diesmal am Vorabend den Rotwein weggelassen......scheint nicht wirklich geholfen zu haben. Memo an mich......kein Alkohol ist auch keine Option!

Ich sehe aus wie eine aus den Hartz 4 Sendungen die man früher immer auf der Couch geschaut hat, wenn man krank geschrieben war und nichts anderes mit sich anzufangen wusste. Damals hat man die armen Seelen im TV angeschaut und sich gedacht "zum Glück sehe ich aktuell nur wegen meiner Grippe so fertig aus". Und jetzt strahlt dir diese Hartz 4 Schönheit aus dem Spiegel entgegen. Was ist nur aus mir geworden........Ich versuche meinen Blick von dem Elend loszureißen und meinen Weg in die Küche fortzusetzen. Okay, in dieser Erzählung hört sich das so an als würde ich auf einem Schloss mit 25 Zimmern, 5 Etagen und meterlangen Fluren leben. Dem ist nicht so, unsere 3-Zimmer Wohnung ist eigentlich recht überschaubar und schnell durchquert. In der Küche angekommen möchte ich am liebsten gleich wieder umdrehen. Überall stapeln sich Tassen, Töpfe und Gläser. Die Ansammlung der letzten Tage von zwei Menschen die den ganzen Tag zu Hause sind. Keiner von uns hatte die Motivation zu spülen und offensichtlich hatte mein Freund auch keine Kraft seine Sachen in die Spülmaschine zu räumen. Oder aber er ist so clever und wartet bis ich die Geduld verliere und das ganze für ihn übernehme. Noch ist meine Schmerzgrenze nicht erreicht, ich halte noch durch. Die Frage ist nur....wie lange noch. 

Meine Mission mir einen neuen Kaffee zu holen ist erstmal auf Eis gelegt. Denn die Kaffeemaschine, jetzt wo sie meine Aufmerksamkeit hat, signalisiert mir, dass sie Wasser und Bohnen braucht und der Kaffeesatzbehälter voll ist. Ich habe also quasi ein Bingo einen Hattrick oder wie auch immer ihr es nennen mögt. Ich versorge also die Maschine und im Anschluss versorge ich mich mit einem frischen Kaffee, der vermutlich wieder lauwarm irgendwo vergessen und im Anschluss im Abfluss entsorgt werden wird. Wie so oft bei mir!! Mein Magen knurrt immer noch und beim öffnen des Kühlschranks ist mir eigentlich schon klar was mich erwartet.......nichts........na da.......gähnende Leere. Ich kann zwischen einer traurigen Tomate, Senf, einer Packung Parmesan und abgelaufenem Joghurt wählen. Es ist echt zum wahnsinnig werden. So oft sehe ich auf Instagram und Co. diese fleißigen Bienchen die sich morgens die tollsten Bowls und Oatmeals zaubern, weil sie ja aktuell so viel Zeit haben auf eine ausgewogene und regelmäßige Ernährung zu achten. Tausende von Malen habe ich mir über-motiviert Beeren, Quark und Nüsse gekauft mit dem guten Vorsatz in der nächsten Woche alles besser zu machen und endlich mal diszipliniert mein Leben in die Hand zu nehmen. Ihr könnt es euch denken.......nach 2 Wochen war die Hälfte der Sachen schlecht geworden oder aber mein Freund hat sich ihrer erbarmt und aus Alternativlosigkeit gegessen. Ich bekomme es einfach nicht hin egal wie oft ich es auch versuche. Vielleicht muss ich es einfach akzeptieren ich bin eben so!!!!

Dabei war vor der Pandemie alles anders. Gut, die Frühstücksqueen war ich noch nie. Aber ich bin morgens aufgestanden, habe zumindest einigermaßen etwas aus mir selbst gezaubert, bin zur Arbeit, danach zum Sport, anschließend einkaufen, kochen und essen und zum Abschluss noch etwas Netflix auf der Couch. Und das alles 5 Tage die Woche. Heute treibt mir der bloße Gedanke an diese Zeit schon Schweißperlen auf die Stirn. Das ist eigentlich ziemlich traurig. Zum einen sehne ich mich wieder nach einem geregelten Alltag mit einer gewissen Routine. Auf der anderen Seite kann ich mir gar nicht vorstellen wie ich das überleben soll. Es stresst mich ja mittlerweile schon, wenn ich morgens um 9 Uhr direkt den ersten Call habe, oder ich weiß ich muss im Laufe des Tages vor die Tür, weil irgendwelche Pakete zur Post gebracht werden müssen. Ein verfluchter Teufelskreis. Jedenfalls hangel ich mich so von Tag zu Tag bis dann endlich Freitag ist und sich eigentlich nur ändert, dass man eventuell andere Menschen trifft, am nächsten Tag ohne Wecker aufstehen kann und nicht am Rechner sitzt und vor sich hin arbeitend die Welt drumherum vergisst. 

Ich kann nur hoffen ich bin hier nicht die einzige, die sich manchmal nicht mehr ausstehen kann und die ganze Lage und Situation in der wir aktuell leben erst recht nicht. Und falls es euch auch so geht, dann hoffe ich ihr findet Trost in meinem Beitrag und konntet das ein oder andere Mal vor euch hin schmunzeln. Ihr seid definitiv nicht allein da draußen!!!!

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